Zu bewerten, ob es für die Kanzleigründung der richtige Zeitpunkt ist oder ob damit lieber noch gewartet werden soll, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dieser Beitrag soll eine erste Orientierung geben und zugleich bei der abschließenden Entscheidung helfen.
Insbesondere bei Rechtsanwälten lassen sich in der Praxis einige Zeitpunkte im Berufsleben beobachten, die oft für den Start in die Selbstständigkeit genutzt werden. Dabei kann es sich um die Gründung einer Einzelkanzlei mit eigenen Kanzleiräumen oder als "Wohnzimmerkanzlei", einem Zusammenschluss mit anderen zu einer Anwaltssozietät oder Bürogemeinschaft oder dem Einstieg oder Kauf einer Kanzlei im Rahmen der Kanzleinachfolge handeln.
Diese geschilderten Situationen spielen nur eine untergeordnete Rolle für den Erfolg des Vorhaben.
Die Ziele und damit die Motivation für die Gründung einer eigenen Kanzlei können vielfältig sein. Im Kern können sie in verschiedene Kriterien unterteilt werden. Diese zu erkennen ist wichtig, um ehrlich zu bestimmen, ob die Kanzleigründung der richtige Weg für einen ist.
Manchmal gibt es so einmalig gute Gelegenheiten, dass man sie nicht verpassen sollte oder zumindest denkt, dass sie gut sind. Dies könnte das Angebot der Übernahme oder des Kaufs einer wirklich guten Kanzlei zu einem guten Preis sein. Auch könnte es sein, dass sie plötzlich Mandate angeboten bekommen. Manchmal ergibt sich auch beruflich oder privat ein besonderer Moment: Dies könnte eine Kündigung sein, der Umzug in eine neue Stadt oder Veränderungen in der Partnerschaft sein.
Selbst wenn alles gut durchdacht und der perfekte Zeitpunkt gekommen zu sein scheint, muss am Ende nicht nur das Marktumfeld für die nächsten Jahre gute Umsatzchancen versprechen. Diese Einschätzung ist von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet unterschiedlich. In jedem Fall sollte es einen klaren Weg für die Akquise der ersten Mandanten geben - manchmal auch über Kontakte und Netzwerke.
Die Entscheidung für eine Vollzeit-Selbstständigkeit als Rechtsanwalt sollte nicht überstürzt, sondern mit ausreichend Vorlauf und Zeit für eine gute Planung getroffen und umgesetzt werden.
Das Konzept für die Kanzleigründung muss so stimmig sein, dass eine realistische Chance besteht, dass die Erwartungen an das Vorhaben erfüllt werden. Gründen sollte man erst, wenn dieser Moment gekommen ist.
Das nötige Kapital sollte vorhanden sein, um das Gründungsvorhaben in die Tat umzusetzen. Ist es nicht aus Eigenkapital oder mit Hilfe von Fördermitteln aufzubringen, ist ein Kredit aufzunehmen. Ist das Kapital noch nicht vorhanden, ist entweder zu warten oder das Konzept realistisch anzupassen.
Der Start in die Selbstständigkeit ist positiv aufregend und setzt damit auch eine Menge Energie frei. Dennoch ist es hilfreich in der Planung und Umsetzungsphase ausreichend Energie und "Kopf frei" mit zu bringen, um sich komplett auf das Vorhaben zu konzentrieren. Mut und Optimismus kommen sobald das Vorhaben eine realistische Chance auf Erfolg hat und die endgültige Entscheidung gefallen und erste Unterschriften geleistet wurden. Auch im weiteren Verlauf sind diese Eigenschaften wichtig, um neue Herausforderungen zu meistern oder sich durch schwierigere Phasen durchzubeißen.
Eine Kanzleigründung hat große Auswirkungen auf das eigene Lebenskonzept und auf das Familienleben.
Die volle Unterstützung im Umfeld zu erfahren, erleichtert das Vorhaben. Selbst leichter "Gegenwind" oder Einkommens-Vergleiche in Lebenspartnerschaften erschweren es und führen oft zu sehr großen Konflikten. Verdient die Ehefrau viel mehr Geld als der gründende Ehemann, kann es beispielsweise zu einer solchen Situation kommen.
Mit der ersten Version vom Businessplan wird schnell deutlich, dass andere als juristische Fähigkeiten für eine erfolgreiche Gründung entscheidend sind. Wer keine Lernbereitschaft hat oder sich keine Zeit nimmt, entsprechende Fähigkeiten im Vorfeld und auch immer wieder während des Kanzleialltag aufzubauen oder als Service einzukaufen, hat es schwerer.
Die eigene Kanzlei zu gründen geht frühstens mit dem abgeschlossenen Jurastudium und einem bestandenem juristischen Staatsexamen sowie der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen an die Niederlassung als Rechtsanwalt und der Meldungen an andere Stellen. Die Noten sind dabei egal. Mit der eigenen Gründungplanung kann damit bereits vor der Zulassung oder noch aus der Rolle als Angestellter heraus begonnen werden.
Noch hilfreicher für eine erfolgreiche Kanzleigründung als einige Jahre Berufserfahrung im Anwaltsberuf ist ein für die Kanzleigründung relevanter Fachanwaltstitel.
Die eigentliche Bewertung des Zeitpunktes wird am Ende von den Zielen bestimmt, die mit der Kanzleigründung bewusst oder unbewusst verknüpft sind.
Die Bewertung des richtigen Zeitpunkts geht einher mit der Frage nach dem Ziel, das mit der Kanzleigründung erreicht werden soll. Dieses kann mehrere Ausprägungen haben - auch in einer Kombination.
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Jasmin Isphording
Als Dipl. Kauffrau und mit 20 Jahren Erfahrung im Thema Kanzleigründung ist sie Expertin für Kanzleien und hat bereits zahlreichen Rechtsanwälten und Notaren beim Aufbau und der Entwicklung der eigenen Kanzlei begleitet.
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